Der Beitrag von Werner Reuling zur Gedenktradition in Miltenberg kann nicht hoch genug bewertet werden. Nicht nur hat er mit der Schrift „Mittelalterliche Mikwe Miltenberg“ eine reich bebilderte und höchst aufschlussreiche Broschüre zu diesem historisch wichtigen Thema vorgelegt. Darüber hinaus ist ihm zu verdanken, dass diese Einrichtung heute überhaupt begehbar ist. Denn die auf das 13. Jahrhundert zurückgehende Mikwe wurde 1938 auf Befehl der NS-Behörden zugeschüttet; Reuling legte nach dem Kauf des Hauses durch seine Lebensgefährtin das Ritualbad wieder frei, indem er 2.500 Eimer Schlammschutt eigenhändig abtransportierte. Seither haben Tausende die Mikwe besichtigen können.
Kein Wunder also, dass die Broschüre persönlich gehalten ist und immer wieder Feststellungen in Ich-Form enthält. Dies zeigt auch, dass hier keine wissenschaftliche Arbeit vorgelegt wurde, wenngleich das Heft faktenreich und ausführlich geraten ist und mit über 60 Bilddokumenten einen guten Eindruck über die Geschichte der Mikwe und die heute dort befindliche Ausstellung geben kann.
Ein kleiner Fehler soll nicht verschwiegen werden: Die erste urkundliche Erwähnung jüdischen Lebens in Deutschland ergebe sich aus einer frühmittelalterlichen Handschrift von 321 (Seite 13). Die Jahreszahl soll nicht angezweifelt werden, jedoch liegt dieses Jahr noch ganz eindeutig in der Spätantike und fast 200 Jahre vor dem Mittelalter. Aber – dies sei zugegeben – das ist Nörgeln auf hohem Niveau, zeigt aber auch, wie genau der Autor dieser Zeilen die faszinierende Broschüre gelesen hat.
Das Vorwort stammt von keinem Geringeren als Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland und Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg und Unterfranken, in deren Bereich auch Miltenberg liegt. Vom einst regen jüdischen Leben in der Kreisstadt zeugen heute allerdings nur noch Artefakte, wie sie auch in einer Ausstellung in der Mikwe gezeigt werden. Von den weniger als 4.700 Einwohnenden im Jahr 1933 waren rund 100 jüdischen Glaubens. Diese jüdischen Mitmenschen wurden vertrieben oder ermordet, Miltenberg als „judenrein“ erklärt.
Die jüdische Gemeinde hatte im Laufe der Jahrhunderte drei Synagogen gebaut und vermutlich mehrere Mikwen. Die in der Broschüre dargestellte aus dem 13. Jahrhundert gilt als eine der ältesten noch erhaltenen in Europa. Die alte Synagoge – ebenfalls aus dieser Zeit und durch Profanisierung um 1900 vor der Zerstörung durch Nazi-Deutschland gerettet – könnte gar die älteste noch erhaltene Synagoge auf dem europäischen Kontinent sein. Sie ist nicht öffentlich zugänglich. Umso wichtiger ist es daher, mit einem Besuch der Mikwe bzw. durch die hier vorgestellte Broschüre einen Einblick in jüdisches Leben in Miltenberg zu bekommen. Führungen können gebucht werden über: tourismus@miltenberg.info oder wernerreuling@freenet.de
Mapec
Werner Reuling: Mittelalterliche Mikwe Miltenberg, mit einem Vorwort von Dr. Josef Schuster, 40 Seiten, zahlreiche Abbildgenau, Miltenberg 2024, 6,50 Euro (liegt auch in englischer Sprache [US-Englisch] vor), erhältlich in Miltenberger Buchhandlungen und über den Autor: wernerreuling@freenet.de
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