Ende Juli ist die promovierte Politikwissenschaftlerin, Diplom-Sozialarbeiterin , historische Forscherin, Aktivistin, Autorin und Kreisheimatpflegerin Monika Schmittner im Alter von 74 Jahren gestorben. Die Geschichtsforschung unserer Region hat damit einen großen Verlust zu verzeichnen, von der menschlichen Tragödie ganz abgesehen, verlieren wir mit ihr doch einen überaus liebenswerten und aufrechten Menschen.
Wir ehren Monika Schmittner, indem wir eine ältere Besprechungen zu einem ihrer Bücher erneut veröffentlichen und auf ein Interview hinweisen, das sie vor wenigen Jahren geführt hat.
Redaktion fundstuecke.info
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Monika Schmittner: Verfolgung und Widerstand 1933 bis 1945 am bayerischen Untermain. Alibri Verlag, Aschaffenburg
Nach dem bereits 1985 erschienenen Buch „…befindet sich hier eine Reihe staatsfeindlicher Elemente“ hat Dr. Monika Schmittner nun erneut einen wichtigen Beitrag zur regionalen Geschichtsschreibung am Untermain geleistet. Auf 414 Seiten breitet sie eine Fülle von Material aus, das zu einem guten Teil in der genannten ersten Arbeit noch nicht enthalten war. Denn zahlreiche Zeitzeugen konnten seither von ihr befragt und neue Dokumente gesichtet werden.
Allerdings ist der Autorin die Zwiespältigkeit von auf oral history fußender Geschichtsschreibung bekannt. Daher beschränkt sie sich nicht hierauf, sondern fügt immer wieder Kapitel und Exkurse mit allgemeinen Anmerkungen zu der von ihr dargestellten Thematik ein.
Sehr erfrischend ist auch, dass Monika Schmittner keine entpolitisierte Anekdoten-Geschichtsschreibung betreibt, sondern ihrer Arbeit den notwendigen und der Sache angemessenen politischen Rahmen gibt. So betont sie, dass mit dieser (stark erweiterten) Neuauflage „jeder `Schlussstrich´-Debatte eine klare Absage erteilt“ wird (S. 12). Weiterhin ist für sie völlig klar, dass die Zeit des NS-Regimes „keine Vergangenheit wie andere Vergangenheiten“ ist, sondern „mit seinen Konsequenzen bis in die Gegenwart hinein“ wirkt (ebd.).
Die Autorin, Mitglied der Geschichtswerkstatt Untermain, wendet sich zudem gegen die Reduzierung auf den „großen“ Widerstand, wie ihn offizielle Wüdenträger gerne am 20. Juli abfeiern; den zu „einem vollständigen Geschichtsbild gehört auch die Erinnerung an die große Zahl derjenigen, die in ihrem Alltag mit großem Risiko nach den Prinzipien der Menschlichkeit, des Humanismus, Christentums, Sozialismus, Liberalismus und Pazifismus handelten. Sie dürfen nicht vergessen werden.“ (S. 18) Dennoch gibt es für sie keinen Grund zur Heldengeschichtsschreibung oder gar zu einem Reinwaschen der jüngeren deutschen Geschichte mittels Verweis auf den Widerstand: Denn dieser blieb – wie sie richtig feststellt – ohne Massenbasis.
Eine solche hatte schon eher das Denunziantentum: Nur so ist es erklärbar, das es die Gestapo im damaligen Gau Mainfranken mit seinen über 840.000 Menschen tatsächlich schaffte, mit ganzen 28 Mitarbeitern auszukommen, davon lediglich zwei am bayerischen Untermain. Eine flächendeckende Bespitzelung war damit nicht möglich. Wurde in der späteren DDR ein System von bezahlten oder zumindest belohnten Zuträgern und eine Heerschar hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter benötigt, um ein halbwegs funktionierendes Überwachungssystem zu schaffen, so sorgten in der NS-Diktatur vor allem Blockwarte, Parteifunktionäre und jede Menge ganz „normale“ Bürger/innen völlig kostenlos dafür, dass ein engmaschiges Überwachungs- und Terrornetz funktionieren konnte. Abweichendes Verhalten wurde bereitwillig anzeigt, also denunziert. Auch diesem Kapitel widmet sich Monika Schmittner mit regionalen Beispielen in ihrem Buch.
Daneben wird christlicher Widerstand behandelt, individuelle Zivilcourage beleuchtet, NS-Verbrechen in der Endphase des Krieges („Festung Aschaffenburg“) bearbeitet und auch auf den sozialdemokratischen und kommunistischen Widerstand eingegangen. Dass einst eine beachtliche Zahl kommunistischer Widerständler am bayerischen Untermain dem Nazi-Regime zu trotzen versuchten, können die Nachgeborenen heute kaum fassen: Die KPD-Tradition ist restlos erloschen. Der von Monika Schmittner aufgezeigte antikommunistische Terror der Nazis hat seinen Teil dazu beigetragen.
Der Anhang des Buches erhält je ein Namens- und Ortsregister; sie erleichtern die Arbeit mit dieser Publikation, die als regionales Standartwerk zum Thema Verfolgung und Widerstand bezeichnet werden kann.
M. Pechtold für den einstigen Informationsdienst Asyl am Untermain 2002
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Interview in zwei Teilen zur regionalen Frauenbewegung
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