FUNDSTUECKE.INFO

Virtuelles Archiv zur Sozialgeschichte in der Region Aschaffenburg/Miltenberg

Ein Tag im Januar

Instrumentalisierung eines Verbrechens durch Rechte – Hass statt Trauer 

Am 22. Januar 2025 kommt es im Park Schöntal in Aschaffenburg zu einem Messer-Angriff auf eine Gruppe von Erzieherinnen und Kleinkindern. Dabei gibt es drei Verletzte, ein totes Kind und einen getöteten Mann, der sich einmischte, um den Kindern beizustehen. Der unter Wahnvorstellungen leidende Täter, ein aus Afghanistan stammender Asylsuchender, wird festgenommen. In die Trauer mischen sich sofort rechte Gruppen und wollen die Tat des Migranten für ihre politischen Zwecke nutzen.

Foto: Daniel Stenger

Wir bringen nachstehend eine Dokumentation der darauffolgenden Ereignisse und mehrere Texte dazu.

Sollten euch weitere Ereignisse bekannt sein, so freuen wir uns über Ergänzungen (und die dazugehörigen Belege) an KONTAKT@FUNDSTUECKE.INFO.

Redaktion fundstuecke.info

Übersicht:

Dokumentation (von der Tat im Schöntal bis zur Bundestagswahl)

Aschaffenburg trauert – Politik-Spitzen instrumentalisieren – Faschos inszenieren sich (Bündnis gegen Rechts Aschaffenburg-Miltenberg)

Ich bin dankbar für alle, die den Faschist*innen nicht die Straßen und Plätze überlassen (Offener Brief aus dem Umfeld von FUNDSTUECKE.INFO)

Aschaffenburg ist zur Wohlfühlzone für Nazis verkommen (Analyse aus der antifaschistischen Szene Aschaffenburgs)

DOKUMENTATION

22.01.: 

Am Abend hinterlässt die neonazistische Kaderpartei Der III. Weg bereits mit Parteilogo beklebte Kerzen im Schöntal. 

Auf dem Theaterplatz bzw. vor dem Rathaus kommt es ebenfalls am Abend zu einer politischen Kundgebung von ca. 80 Rechten (Michael Hetzel, Funktionär der Alternative für Deutschland [AfD]: „Jetzt reicht es mit bunt!“) und nicht etwa zu einer Trauerveranstaltung. Anmelderin ist Katrin Burger, AfD und vormals gegen die Corona-Maßnahmen und bei sogenannten Familienschutz-Aktionen aktiv. Trotz Verbot durch die Polizei ziehen die KundgebungsteilnehmerInnen später ungehindert zum Schöntal.

Spontan versammeln sich gut 30 GegendemonstrantInnen.

Foto: Daniel Stenger

23.01.:

Ab 18:00 ruft das Kneipenkollektiv Hannebambel und „Aschaffenburg ist bunt“ zum stillen Gedenken auf, um „angesichts des Schreckens und der Trauer in dieser schweren Zeit Rücksichtnahme, Solidarität und Zusammenhalt (zu) zeigen“. Dem Aufruf folgen 3000 Menschen.

Foto: Daniel Stenger

24.01.: 

Björn Höcke und andere AfD-Funktionäre wollen im Schöntal angeblich der Opfer gedenken; mit dabei sind die örtlichen Vertreter der Nazipartei III. Weg und der Identitären Bewegung, insgesamt vielleicht 70 Personen. Dabei zeigt AfD-Funktionär Höcke, dass ihm das Geschehen nichts, die Propaganda aber viel bedeutet: Den getöteten Jungen macht er kurzerhand zum „toten Mädchen“.

Die Interventionistische Linke und Azadi Antifa rufen dagegen zu einer spontanen Kundgebung auf.

Instagram-Post

Laut Main-Echo schützen 500 Menschen den Gedenkort, der sich am Blauen Klavier gebildet hat. Beobachterinnen sprechen eher von wenigen Dutzend Antifaschistinnen, die die Kranzniederlegung effektiv verhindern. Auch verschiedene Bilder des Ereignisses legen diese Sichtweise nahe. Höcke und seine Leute müssen auf einen anderen Platz ausweichen. 

Ein Gegendemonstrant wird ohne Vorwarnung von der Polizei zu Boden gerissen und festgehalten. Einer als links definierten Personengruppe wird durch die Polizei ein Platzverweis erteilt, um sie an der Teilnahme des Gegenprotestes zu hindern. Nach Intervention der Presse gibt die Polizei zu, dass dies rechtswidrig war.

Den ganzen Tag über bewegen sich kleine Gruppen mit Rechten unkontrolliert in der Stadt, so sammeln sich u.a. Mitglieder der faschistischen Kleinstpartei „III. Weg“ kurzzeitig vor den Räumen des Stern e.V., werden aber von Antifaschistinnen verjagt.

Auch führt die „Identitäre Bewegung“ eine Aktion in der nähe der Großmutterwiese durch, bei der Kreuze aufgestellt werden.

25.01.: 

Demonstration der „Querdenker“-Gruppe Aschaffenburg-steht-auf (ASA) um den einschlägig bekannten Bruno Stenger von der Großmutterwiese durch die Stadt (weniger als 30 Personen). Stenger ist wegen Beihilfe zur Volksverhetzung vorbestraft, ASA unterhält Kontakte zu ReichsbürgerInnen und Neonazis.

Eine als Straßentheater verharmlosend angekündigte Propagandaaktion des III. Weges in Aschaffenburg unter dem Titel „Migrantengewalt stoppen! Heimat schützen!“ wird verwaltungsgerichtlich untersagt (es sollten Puppen als blutige Leichen präsentiert werden). Es kommt stattdessen zu einer kurzen Kundgebung einer handvoll Mitglieder der Nazipartei mit Flugblattverteilung in der Nähe der City-Galerie.

Am Blauen Klavier versammeln sich zahlreiche GegendemonstrantInnen. Sie werden, wie später der Ermittlungsausschuss Aschaffenburg (EA) berichtet, „unter Ankündigung von Konsequenzen von der Polizei dazu aufgefordert, als Vermummung interpretierte Aufmachung abzulegen (getragen wurden z.B. Schals bei empfindlicher Kälte). Dagegen störte sich die Polizei in keiner Weise daran, dass aus der Gruppe des III. Weges konstant und unverhohlen die an dem Gegenprotest beteiligten Menschen fotografiert wurden. Möglicherweise war das Ablichten der gegnerischen linken / Antifa-Szene eines, wenn nicht gar das Hauptziel der Veranstaltung des III. Weges. In diese Richtung deuten Art und Weise sowie Dauer, mit der das Fotografieren von den Nazis betrieben wurde, in Verbindung mit der Tatsache, dass einer der Teilnehmer auf der Naziseite in der Vergangenheit bei rechten Aufmärschen in Aschaffenburg mit Anti-Antifa-Shirt in Erscheinung getreten ist. In dieser Situation ist eine Vermummung notwendiger Selbstschutz, der nicht unter das Vermummungsverbot fällt.“ 

Das Bündnis „Aschaffenburg ist bunt“ bringt 3.000 Menschen bei einer Trauerkundgebung auf dem Theaterplatz zusammen, die sich auch gegen die Instrumentalisierung der Trauer durch rechte Gruppen richtet. Oberbürgermeister Herzing, Pfarrer der beiden großen christlichen Konfessionen und ein Imam sprechen, ebenso ein afghanisches Mädchen, bei dessen Auftritt klar wird, wie destruktiv die Debatte auf die MitgrantInnen wirkt.

Video: Daniel Stenger

Das Bündnis gegen Rechts Aschaffenburg-Miltenberg reagiert mit einer ersten Stellungnahme unter dem Titel „Aschaffenburg trauert – Politik-Spitzen instrumentalisieren – Faschos inszenieren sich“, das nachstehend als TEXT 1 dokumentiert ist.

26.01.: 

Demonstration in Aschaffenburg von Rhein-Main-steht-auf (RMSA) um den AfDler Michael Hetzel aus Niedernberg, Kreis Miltenberg, mit gut 1.500 Beteiligten; mit dabei auch jede Menge AfD-Mitglieder (darunter Landtagsabgeordnete Ramona Storm) und auch Bruno Stenger, Leute aus der Partei Die Heimat (ehem. NPD), vermummte Neonazis aus Hessen und die regionalen Kader des III. Weges. Lange hält sich auf der Demonstration die beständig über Lautsprecher wiederholte Falschmeldung, das verletzte Mädchen sei auch verstorben. In mehreren Fällen wird von Teilnehmenden der Demonstration der Hitler-Gruß gezeigt. Ein größerer Teil der Teilnehmenden ist vermummt, was keine polizeilichen Maßnahmen nach sich zieht. Einige Tage später berichtet ein Beobachter, dies sei die schlimmste Demonstration gewesen, die er je gesehen habe; er sah „ekelhaftesten Rassismus. Das Menschenverachtende ist das, was die zusammenschweißt!“

Blick aus dem Schöntal auf die rechte Demonstration. Video: Eine Antifaschistin

Das Aktionsbündnis gegen Rechts führt am Blauen Klavier eine Gegenkundgebung durch. Sie verhindern auch die geplante Kranzniederlegung von RMSA an diesem dafür vorgesehenen Gedenkort. Antifaschistinnen schützen auch die Zugänge in den Park.

Foto: Daniel Stenger

Gegen die Abschlusskundgebung von RMSA am Schlossplatz versammeln sich spontan AntifaschistInnen zum Protest und beeinträchtigen somit die Kundgebung von RMSA, indem sie einen Teil des Platzes blockieren.

Es wird von Übergriffen durch Neonazis berichtet. U.a. kommt es gegen 18 Uhr zu einem Angriff von Neonazis auf AntifaschistInnen am Hauptbahnhof, mit dabei die Neonazi-Influencerin Line, die auf ihrem Kanal über den Angriff erzählt. Dazu führt später der EA aus: „Von einem der Nazi-Angriffe wird berichtet, dass er sich unmittelbar am Rand der RMSA-Demonstration in einer die angegriffene Person ganz erheblich gefährdenden Weise ereignet habe. Trotzdem habe ein anwesender Polizeibeamter rechtswidrig die von der angegriffenen Person gewünschte Anzeigenaufnahme verweigert.“

27.01.: 

Die diesjährige Veranstaltung des Bündnisses gegen Rechts Aschaffenburg-Miltenberg (zum Gedenktag an die Shoa), die am Platz hinter der Sandkirche (ab 2025 Meier-Kahn-Platz) stattfindet, steht auch unter dem Eindruck der aktuellen Ereignisse. Unabhängige Stimmen kritisieren, dass man mit der einseitige Konzentration auf den Gaza-Krieg weder dem Datum, noch der aktuellen Situation in Aschaffenburg gerecht geworden ist. Rund 100 Menschen versammeln sich vor Ort.

29.01.: 

Die CDU/CSU, flankiert von FDP und BSW, lässt sich erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland durch eine rechtsextremen Partei (AfD) eine Abstimmungsmehrheit verschaffen. Diese betrifft das Thema Migration; ausdrücklich wurde in der vorangehenden Diskussion auch immer auf die Ereignisse in Aschaffenburg Bezug genommen.

30.01.: 

Bekannt wird, dass das Foto eines Mannes (mit auf die Kleidung kopierten Deutschlandfähnchen) nicht den Getöteten vom Schöntal zeigt, wie im Internet fortlaufend behauptet wird. Die Familie des Opfers wendet sich an die Öffentlichkeit: „Die dort gezeigten Fotos, auch mit Parteihintergrund, sind eine Fälschung. Wir sind zutiefst bestürzt über dieses respektlose Verhalten …“

Am Abend kommt es zu einer Kundgebung auf dem Theaterplatz gegen die Zusammenarbeit der CDU/CSU etc. mit der AfD. Bis zu 200 Personen folgen dem Aufruf der Partei Die Linke.

31.01.: 

Die Aschaffenburger Faschings-Verbände treffen sich und beschließen, dass 2025 kein Faschingszug stattfinden wird. Viele Sicherheits- und Hilfskräfte waren schon im Schöntal im Einsatz, sie sollen nicht weiter belastet werden; die Pietät erlaubt es nicht, in der Nähe des Tatortes Fasching zu feiern; auch die Sicherheitslage wird wohl als unklar eingeschätzt.

Zweite Januarhälfte: 

Mehrere Schmierereien im Raum Aschaffenburg-Miltenberg, vermutlich durch den III. Weg, darunter die Parole „Zecken an die Wand“ in der Unterführung an der City-Galerie mit Hammer und Schwert (Nazisymbol, das für den sogenannten nationalrevolutionären Flügel der NSDAP steht) oder „ANTIFA aus der Traum bald im Kofferraum“ sowie der Schriftzug SEAB mit stilisiertem SA-Logo, NRJ-Schriftzug (Nationalrevolutionäre Jugend des III. Weges), Hakenkreuz, Schriftzug „Zecken boxen“ oder „SCHÄMT EUCH `Anti´Faschisten“.

Unterführung an der Citygalerie. Foto: Eine Antifaschistin

02.02.: 

Bis zu 2.000 Menschen bei einer privat organisierten Kundgebung in Obernburg, die sich gegen den Rechtsruck, insbesondere gegen die Instrumentalisierung der Tötungen in Aschaffenburg und gegen die Zusammenarbeit der Union mit der AfD wendet. Die Organisation Buntermain als Struktur für verschiedene bürgerliche Bündnisse für Vielfalt wird dabei gegründet.

06.02.: 

Kundgebung des Aktionsbündnisses gegen Rechts anlässlich einer AfD-Veranstaltung in der Stadthalle Aschaffenburg; u.a. wird gefordert: „Stoppt rechte Instrumentalisierung“.

08.02.: 

Der Redaktion fundstuecke.info geht eine Stellungnahme aus ihrem Umfeld zu, die sich mit den Ereignissen ab dem 22. Januar beschäftigt und nachstehend als TEXT 2 dokumentiert ist.

10.02.: 

Die tödliche Attacke im Schöntal und ihre Folgen sind Thema in einer nichtöffentlichen Sitzung des Innenausschusses des Bundestags. Die Parteien schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu, dass der Täter nicht bereits abgeschoben war.

Die Vorträge von zwei Veranstaltungen – für Eltern wie für Erziehungsfachkräfte – zum Thema, wie mit der Tat im Schöntal gegenüber Kindern umgegangen werden kann, sind nun auf Youtube abzurufen.

11.02.: 

Mit einem Fake-Account einer angeblichen Roten Jugend Hessen auf Instagram wollen rechte Kräfte Informationen abgreifen. Das Offene Antifaschistische Treffen (OAT) in Aschaffenburg warnt bereits wenige Tage später davor.

Foto: Daniel Stenger

13.02.: 

„Aschaffenburg, wir müssen reden … Was treibt uns nach dem Messerangriff im Schöntal um?“; Katholische Arbeitnehmer-Bewegung, DGB und das Bündnis „Aschaffenburg ist bunt“ laden ein ins Martinushaus zu einer Veranstaltung zur besseren Verarbeitung des Geschehenen. Über 100 Menschen kommen und reden miteinander.

16.02.: 

Eine angeblich privat organisierte Demonstration in Miltenberg findet statt u.a. unter dem Motto „Nein zur illegalen Einwanderer und Attentäter“ (Fehler im Original). Sie dient ganz offensichtlich zur Wahlwerbung für die AfD, wird aber nur von rund 50 Menschen besucht, die teils weit angereist sind (u.a. Michael Schele aus Hagen in seinem einschlägig bekannten Agitations-PKW mit dem grünen Skelett auf dem Dach). Erstaunlich ist die sehr lange Demonstrationsroute durch Miltenberg-Nord und die komplette Hauptstraße (Innenstadt) mit Kundgebungen am Marktplatz und am Engelplatz. 

Auf eine Gegenaktion wird verzichtet, da mit einer geringen Beteiligung bei der rechten Demo gerechnet wurde und z.B. die Omas gegen Rechts Miltenberg die erwartbar kleine Veranstaltung der Rechten nicht aufwerten wollen.

21.02.: 

Auto-Korso mit ca. 40 Fahrzeugen ab Volksfestplatz durch Aschaffenburg unter dem Titel „Wollt ihr noch mehr Brandmauer-Morde? Wählt am 23. Februar um Euer Überleben!“ Auch diese abendliche und rund dreistündige Aktion ist erkennbar eine Wahlwerbeveranstaltung für die AfD.

22.02., ein Monat nach der Tat im Schöntal: 

Ca. 11 Uhr marschieren 25 bis 30 meist männliche junge Personen in schwarzer Uniformierung auf; sie sind Mitglieder der neonazistischen Gruppe Der Störtrupp (DST) aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Sie werden stundenlang von der Polizei zur Personenkontrolle festgesetzt, passive Bewaffnung und das Verwenden von verfassungsfeindlichen Kennzeichen werden festgestellt. 

Vermutlich wollen sie bereits zu diesem Zeitpunkt einen Kranz im Schöntal ablegen.

Den Vormittag über fährt der aus Nordrhein-Westfalen stammende Michael Schele, Selbstdarsteller und Reise-Aktivist der rechten Szene, mit seinem Propaganda-PKW durch Aschaffenburg und verbreitet rechtes Gedankengut und Unwahrheiten, dabei ruft er zur Demonstration am Nachmittag auf.

Denn unter der Überschrift „Wenn der Faschismus wiederkehrt – Demo gegen linke Hetze und Gewalt“ rufen RMSA und die Klartext-Bürgerzeitung zur Demo. Damit versucht an diesem Tag AfD-Funktionär Michael Hetzel nichts weniger als die Umdeutung der Realität. Die Antifaschisten sollen nun die wirklichen Faschisten sein. Das ist, wie wenn der Dieb schreit: „Haltet den Dieb!“ Die Demonstration geht vom Volksfestplatz aus; die Parteien CDU, FDP und SPD sind ausdrücklich zur Teilnahme eingeladen, verzichten aber darauf. Ein Zusammenhang mit den vorangegangenen Demonstrationen gegen Rechts (auch und speziell in Bezug auf die Tötungen in Aschaffenburg) ist offensichtlich. 

Nur 450 bis 500 Menschen folgen dem Aufruf, deutlich weniger als die erwarteten 1.000. Neben vielen Fahnen der AfD sind auch solche des DST zu sehen sowie Sprechchöre zu hören wie: „Hier marschiert der nationale Widerstand!“ Mit dabei auch Mitglieder der neonazistischen Kaderpartei Der III. Weg und von Die Heimat (vormals NPD) sowie deren Jugendorganisation Junge Nationalisten. Es ist von mehreren Dutzend neonazistischer Kader auszugehen, die an diesem Tag in Aschaffenburg sind. Mittendrin auch die Reichsbürger-Trommelgruppe um Wolfgang Burkard, der auf so gut wie allen rechten Demonstrationen vertreten ist. 

Die Spitze der rechten Demo läuft auf das Schöntal zu. Foto: Eine Antifaschistin

Es ist festzustellen, „dass das AfD-Klientel um Hetzel und Storm wie auch das Klartext-Gefolge um Barth keinerlei Distanz zu den Neonazis im Aufzug zeigte, obwohl sich diese offen zu erkennen gaben. Im Gegenteil: Es waren viele, die sich mit ihnen regelrecht verbrüderten und deren Parolen gegen »Zecken« begeistert mitgröhlten. Selbst Rufe wie »Hier marschiert der nationale Widerstand« fanden Anklang“, schreibt später die Infoseite RheinMain Rechtsaußen. 

Die meisten Plakate, die gezeigt werden, sind sehr einheitlich gestaltet und sichtlich zentral erstellt.

„Nach außen wirkte die Demo aggressiv, was sicherlich auch an dem hohen Alkoholkonsum der TeilnehmerInnen lag“, wird später das Dokunetzwerk RheinMain feststellen.

Das Bündnis „Aschaffenburg ist bunt“ ruft als Gegenaktion zu einer Gedenk-Kundgebung am Blauen Klavier auf unter dem Motto „Demokratie bewahren: Wehret den Anfängen!“ 700 bis 1.000 Menschen folgen dem Aufruf. 

Im Schöntal, um den Treppenaufgang Nähe Sandkirche, führt das Aktionsbündnis gegen Rechts eine mehrstündige Kundgebung mit bis zu 300 Teilnehmenden durch unter dem Titel „Stoppt rechte Hetze“.

Am Fuß der Schöntal-Treppe führt die örtliche muslimische Ahmadiyya-Gemeinde eine Mahnwache durch „für eine Welt ohne Gewalt und Hass!“

Nach 17 Uhr legen die Mitglieder des DST ihren inzwischen verwelkten Kranz doch noch im Schöntal am Blauen Klavier ab.

23.02.: 

Bundestagswahl; die AfD wird zweitstärkste Kraft. Es ist davon auszugehen, dass die Messerattacken wie in Aschaffenburg mobilisierend für die AfD gewirkt haben.

24.02.: 

Michael Hetzel verkündet, sich von seiner Arbeit bei RMSA zurückzuziehen, spricht sogar von Auflösung dieser Gruppe. 

Einen Tag später tritt er vom Rücktritt allerdings wieder zurück und bekundet, dass er künftig „einen neuen, fordernderen und aggressiveren Ton angeben“ werde. Das Hass- und Aggressionsbündel Michael H. will also noch aggressiver werden. Prost Mahlzeit.

28.02.:

Instagram-Post

Unter dem Titel „Aschaffenburg ist zur Wohlfühlzone für Nazis verkommen“ kursiert eine Analyse einer unbekannten Person, offensichtlich aus der antifaschistischen Szene. Diese Bestandsaufnahme dokumentieren wir als TEXT 3 und schließen damit diese Übersicht ab, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die Debatte nach diesen Ereignissen weiter gehen muss.

Quellen für diese Dokumentation: Dossier einer antifaschistischen Recherchegruppe, Bericht des Ermittlungsausschusses Aschaffenburg/eaaschaffenburg.wordpress.com, Bündnis gegen Rechts Aschaffenburg-Miltenberg/bgr-ab-mil.de, Offene Antifaschistische Treffen (OAT) Aschaffenburg, Main-Echo/main-echo.de, Veranstaltungseinladungen, Fotos und Berichte von Beteiligten, Dokunetzwerk RheinMain/dokunetzwerk.org, Rhein-Main Rechtsaußen/rheinmain-rechtsaussen.org, Beiträge auf youtube.com, primavera24.de und meine-news.de

Zusammenstellung: Redaktion fundstuecke.info

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TEXT 1

Aschaffenburg trauert – Politik-Spitzen instrumentalisieren – Faschos inszenieren sich

(Stellungnahme des Bündnis gegen Rechts Aschaffenburg-Miltenberg)

In diesen Tagen herrscht tiefe Erschütterung in Stadt und Umland. Die jüngsten Ereignisse, die das Leben Unschuldiger kosteten und viele weitere Menschen schwer gezeichnet haben, lassen uns alle betroffen zurück. Unsere Solidarität gilt den Opfern dieser sinnlosen Tat, ihren Familien und Freunden, deren Leid und Trauer wir wohl kaum ermessen können.

Es fällt schwer, Worte zu finden. Aber wenn wir damit auch nicht dem Schmerz gerecht werden können – wir können und dürfen nicht still bleiben in unserer Trauer angesichts der unverschämt pietätlosen Instrumentalisierung eines Mordes – dessen Ursache nicht in Herkunft und Aufenthalts-Status, sondern in der psychisch-krankhaften Verfassung des Täters gesucht werden muss.

Dass aufgrund der Fluchtursachen bei Geflüchteten häufiger Traumata festgestellt werden müssen als im Durchschnitt der Mehrheitsgesellschaft, dürfte auf der Hand liegen. Offen bleiben die Fragen, warum hier trotz vorhandener sozialmedizinischer Erkenntnisse die Versorgung mit Trauma-Therapie absolut dürftig ist, warum trotz behördlicher Erkenntnisse man diesen Fall hat „laufen lassen“.

Erscheint der aktuelle Schlagabtausch um Verantwortlichkeiten bei der nötigen Suche nach behördlichem und politischem Versagen würdelos, so empfindet das Bündnis gegen Rechts (BgR) die Versuche von Politik-Spitzen – von Wagenknecht über Scholz, Merz und Söder bis Lindner – auf der Betroffenheits-Welle im Wahlkampf zu surfen, als heuchlerisch und abscheulich. Die billige und unsachliche These von der „Migration als Mutter aller Probleme“ wird weiterhin geritten. Dafür und mit Bezug auf Aschaffenburg lässt Merz nun ganz offen die Brandmauer fallen, die ohnehin nie gestanden hat.

Unterirdisch kommt die extreme Rechte mit „AfD“ und „III. Weg“ daher marschiert. Wer in seinen Parolen immer gegen Fremde hetzt, wer meint, – um hier ein Beispiel von vielen zu nennen – Nordafrikaner als generell gewalttätig stigmatisieren zu müssen, der sollte sich schämen, jetzt bei den Aschaffenburger Opfern von „unseren Kindern“ zu sprechen oder den Familienmitgliedern Mitgefühl zu versichern – Mitgliedern einer Bevölkerungsgruppe, die man ausdrücklich am liebsten „remigrieren“ sprich abschieben würde.

Versuche (wie am 25.01. unterhalb des blauen Klaviers vom III. Weg demonstriert, s. Bild oben), die ewig-gestrigen Ausländer-raus-Parolen zu beleben und migrationsfeindliche Programme unter die Menschen zu bringen, müssen weiterhin handfest bekämpft werden. Einiges – wie die Verhinderung der Ablage eines AfD-Kranzes am blauen Klavier – ist hier in den letzten Tagen auch schon gelungen (s. Titelbild). Die „AfD“-Größen schäumen vor Wut, wie auf ihren YouTube-Videos zu sehen. Gut so. Bleiben wir wachsam!

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TEXT 2

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KEINE ATEMPAUSE - Der Podcast von FUNDSTUECKE.INFO
KEINE ATEMPAUSE – Der Podcast von FUNDSTUECKE.INFO
#7 Ein Tag im Januar – und seine Folgen
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Ich bin dankbar für alle, die den Faschist*innen nicht die Straßen und Plätze überlassen

(Offener Brief aus dem Umfeld von FUNDSTUECKE.INFO)

Die Nachrichten und Ereignisse, die in den letzten Tagen in Aschaffenburg stattfanden, bewegen mich auf vielen Ebenen. Zunächst ist da die Trauer über die grausame Tat vom Mittwoch: ein Kind, das so gewaltsam aus dem Leben gerissen wurde, und viele andere Kinder, die in derselben Gefahr schwebten, verletzt wurden und das miterleben mussten. Auch die Erwachsenen, die zu Zeug*innen und/oder verletzt wurden, die tapfer einschritten und nicht zuletzt der Mann, der sein Engagement mit dem Leben bezahlte. Allen Angehörigen möchte ich ausrichten, dass das alles nicht fair und mit nichts angemessen zu entschuldigen ist.

Was passiert ist, ist unfassbar und unfassbar tragisch.

Ich bin keine der angehörigen Personen, doch als Person, die in Aschaffenburg geboren wurde und in der Region aufwuchs, kenne ich viele Menschen, denen das sehr nahe geht. Obendrauf kommt die Bedrohung durch gewaltbereite Nazis, die durch den Park streifen oder im Internet ihre Ideologie verbreiten. Die groß angesetzte Demonstration von „Rhein-Main steht auf“ am Sonntag wurde von diesen Kräften mobilisiert. Für viele Menschen, die nicht in das Weltbild der Nazis passen oder dieses ablehnen, ist diese Atmosphäre eine zusätzliche Belastung. Die steigende Präsenz der Nazis schafft ein Klima der Bedrohung und behindert einen angemessenen Trauerprozess. Wenn man zum Beispiel auf Youtube einfach nur „Aschaffenburg“ eingibt, findet sich recht schnell ein Video, dessen Titel dazu aufruft, sich nun zu bewaffnen. Ein Mann führt darin verschiedene Waffen vor, die man laut seiner Aussage legal mit sich herumführen darf. Darunter eine Machete zum ausklappen und eine ähnliche sichelförmige Hiebwaffe.

Die offen nationalsozialistische Partei „Der III. Weg“ nutzt den Raum der Trauer für ihr politisches Programm. Im Gegensatz zur AfD versuchen sie nicht einmal so zu tun, als ginge es ihr um die Opfer und Angehörigen.

Wenn nun mutige Antifaschist*innen sich dagegen einsetzen, dass die Trauer, die Straßen und der Diskurs von Nazis angeführt wird, geschieht dies nicht aus einem (partei-)politischen Programm heraus, sondern aus der Nicht-Akzeptanz der Verbreitung menschenverachtender Ideologien und Weltbilder. Ich behaupte: Wenn wir als Gesellschaft es zulassen, dass Rechtsextreme, Faschist*innen und Nazis diesen Raum der Trauer und die Deutung der Geschichte übernehmen, lassen wir gleichzeitig die Unterwanderung der Demokratie zu. Eine Demokratie muss wehrhaft sein, um bestehen zu können. Auch wenn – oder gerade weil – Trauer erst einmal etwas Verletzliches an sich hat.

Im Laufe der Zeit hier in Aschaffenburg, habe ich hin und wieder Menschen sagen hören, dass der antifaschistische Protest die Trauer stören würde. Und ja, es fällt auf, dass die Stadt zum Schauplatz einer Auseinandersetzung geworden ist, die ihre Ursache in komplexen globalen Zusammenhängen hat. Und das ist auch nicht fair im Angesicht der abscheulichen Tat vom Mittwoch. Es gibt an dieser Situation nichts schön zu reden. Bei aller Mühe, die Würde und Pietät zu wahren, gilt für mich jedoch auch: „Nie wieder ist jetzt“ und „Kein Fußbreit den Faschist*innen“.

Ich finde wahre Trauer braucht keine Forderung nach harten Grenzen und massenhaften Abschiebungen. Und Sicherheit braucht keine autoritäre Politik, sondern gut funktionierende soziale Strukturen.

Ich bin dankbar für alle, die den Faschist*innen nicht die Straßen und Plätze überlassen (wollen) und für jedes warme Wort und jede Geste der Solidarität, z. B. von Vorbeilaufenden. Und ich möchte euch Angehörigen der Opfer von Herzen wünschen, dass ihr in eurer Trauer und euren Mitmenschen das finden könnt, was ihr gerade braucht – und dass ihr euren Weg im Trauerprozess finden könnt, trotz des Tumultes.

Viel Kraft und Liebe!

K.

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TEXT 3

No FA´burg!

(Analyse aus der antifaschistischen Szene Aschaffenburgs, zuerst auf Instagram erschienen)

Aschaffenburg ist zur Wohlfühlzone für Nazis verkommen

Am 22.02.2025 demonstrierten in Aschaffenburg Rechtsextreme aus dem Querdenken-Spektrum Seite an Seite mit dutzenden Neonazi-Schläger*innen.

Zu der von der lokalen Gruppe Rhein-Main-steht-auf organisierten Demo waren die Neonazis bundesweit und teilweise bewaffnet angereist. Nach anfänglichen Polizeikontrollen blieben sie weitestgehend unbehelligt und durften an der Demo teilnehmen – trotz offensichtlicher Gewaltbereitschaft, trotz (eigentlich bei Kundgebungen verbotener) Uniformierung, trotz vielfacher Vermummung und trotz dem Zeigen von rechtsextremen Hass-Symbolen, wie z.B. dem mit den Fingern geformten OK-Zeichen, das bei Nazis für „White Power“ steht und das in der Nazi-Szene u.a. von rechtsterroristischen Mördern populär gemacht wurde.

Veranstalter und Ordner*innen der Demonstration schienen sich dabei bestens mit den Nazischläger*innen zu verstehen. Es wurde durchgängig und ohne die Spur einer Abgrenzung miteinander kommuniziert und gelacht.

In der Aschaffenburger Querdenken-Szene bestanden zwar schon seit Beginn von deren Protesten 2020 keine Berührungsängste mit rechtsextremen Reichsbürger*innen, der faschistischen AfD oder Mitgliedern von Neonazi-Gruppen oder -Parteien wie „Die Heimat“ oder dem „III. Weg“. Trotzdem wurde zeitweise versucht, sich einen bürgerlichen Anstrich zu geben und sich wenigstens vordergründig von allzu militanten Neonazis abzugrenzen.

Tatsächlich waren aber v.a. die auf den öffentlichen Social-Media-Kanälen der Querdenkenbewegung geposteten Inhalte von Anfang an geprägt von z.T. offen antisemitischen Verschwörungsnarrativen, rassistischer Hetze und Hassposts, die sich u.a. gegen Migrant*innen, Jüd*innen, queere Menschen, Feminist*innen und Linke richteten.

Strafrechtlich relevant dürften viele dieser Inhalte sein, insbesondere diejenigen, die die Shoa leugnen oder zu Gewalt aufrufen.

Die zuständigen Ermittlungs- und Ordnungsbehörden, die die einschlägigen Kanäle und Inhalte kennen sollten, bleiben aber seit Jahren weitestgehend untätig.

Im Gegenteil rollen sie den Rechtsextremen seit 4 Jahren in Aschaffenburg den roten Teppich aus: Den ausbleibenden Ermittlungen wegen der unzähligen Volksverhetzungen stehen Versammlungsbescheide entgegen, die selbst schwere Eingriffe in den Straßenverkehr ermöglichen oder es z.B. zugelassen haben, dass im Jahr 2024 bei einer antifaschistischen Gedenkkundgebung für die neun Opfer der rassistischen Morde von Hanau in unmittelbarer Nähe Rechtsextreme dieses Gedenken in den Dreck ziehen durften.

Im krassen Gegensatz dazu stehen Auflagenbescheide für linke/antifaschistische Versammlungen, welche oft die Möglichkeiten, sich öffentlich wahrnehmbar zu äußern, unverhältnismäßig stark einschränken.

Die antifaschistische Zivilgesellschaft bleibt dabei gefordert, zum einen solidarisch zusammenzustehen gegen all die Kriminalisierungsversuche und Ermittlungsverfahren, denen Antifaschist*innen aufgrund ihres Engagements jetzt schon ausgesetzt sind. Zum anderen muss der Druck auf die Behörden verstärkt werden, damit der braune Spuk in Aschaffenburg endlich ein Ende nimmt. Zumal sich Anschläge auf (linke) Kulturzentren in den vergangenen zwei Jahren häufen, während einer der Hauptveranstalter der rechten Kundgebungen zunehmend aggressiver auftritt und seine Gewaltphantasien öffentlich zur Schau stellt, z.B. durch das Abschießen von Bogenpfeilen auf Zielscheiben mit der Aufschrift „Antifa“.

Wenn die Behörden – wie zu befürchten ist – weiterhin fahrlässig Neonazis Tür und Tor für deren Handeln öffnen, wird sich die Zivilgesellschaft dringend Gedanken um ihren Selbstschutz machen müssen.

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